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Bikaner, ganz royal

May I present… Harshwardhan Singh. Der Einfachheit halber kurz Harsh. Das ist der Mann mit dem stattlichen Schnauz und dem aufgeknöpften Khaki-Hemd. Kennengelernt haben wir ihn auf unserer letzten Indien-Reise, als wir in Bikaner haltmachten.

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Links: Das Eingangstor zur Bhairon Vilas, abends werden die beiden riesigen Holztore zugeschoben. Rechts: Blick vom Dach des Hotels auf das Junagarh Fort, das heute besichtigt werden kann.

Die Stadt ist touristisch gesehen eine kleine Nummer unter den Top-Spots in Rajasthan. Und ganz ehrlich: das Zentrum von Bikaner ist vor allem laut, schmutzig und anstrengend. Ein Ort, an dem man innerhalb einer Rundreise halt einfach vorbeikommt, aber wo man nicht länger verweilen möchte. Wenn da nicht die Bhairon Vilas wäre. Wir reisten ohne jegliche Erwartungen an und staunten nicht schlecht, als unser Taxi eine riesige Pforte passierte und in den ruhigen Innenhof des Hotels glitt. Das laute Gehupe und Geheule des Verkehrs war wie weggewischt – obwohl wir uns noch immer mitten in der Stadt befanden. Nicht nur die Ruhe war verblüffend, sondern die ganze Anlage, die ein begnadeter und kreativer Gestalter in einen romantischen Palast verwandelt hatte. Womit wir wieder bei Harsh wären.
Seine Familie stammt von den Rajputen ab, die im Junagarh Fort gleich gegenüber der Bhairon Vilas lebten und regierten (wie genau und wer mit wem verwandt ist, konnten wir nicht so genau durchschauen…). Im heutigen Hotel, das aus mehreren Gebäuden und Innenhöfen besteht, wohnten Mitglieder der königlichen Familie.
Harsh trifft man abends in der Bar an – wenn man ihn denn findet inmitten der vielen Antiquitäten und kurligen Fundstücken, die überall hängen und stehen. Harsh sitzt hinter dem Tresen und gibt den smarten Bartender und Gastgeber. Meist kommen Freunde aus Bikaner vorbei und bringen eine Flasche Whiskey (oder Selbstgebranntes) mit, die dann in eine edle Bar-Glasflasche umgefüllt und den Gästen ausgeschenkt wird. Ein Abend hat so ziemlich drunken geendet und wir sind mit einem Lachanfall in unserem Bett gelandet.

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Wer denkt da nicht an „Grand Budapest Hotel“? Jedes Zimmer im Hotel ist individuell gestaltet, der romantisch-üppig Stil zieht sich aber durch.

Ein schöneres Zimmer hatten wir übrigens nirgends auf der ganzen Reise, wir fühlten uns wie im Film Grand Budapest Hotel. Die Wände waren rosa gestrichen und mit goldenen Mustern dekoriert. Unter der hohen Decke hing ein (ebenfalls goldener) alter Ventilator. Das Bad war so gross wie unsere Küche und wenn man das Zimmer öffnete, betrat man erst einen Vorraum. Schweizer Hotels würden sowas wohl eine Suite nennen…

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Der Pool im Hof, Piri hat es natürlich nicht lassen können…

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Links: Dieser Wandteppich ziert nun das Ganesha Café beim Eingang des Hotels. Rechts: Der verwinkelte Garten bietet überall Ecken zum Verweilen.

Auch wenn Bikaner wie bereits erwähnt keine Schönheit ist, eignet sich die Stadt doch für Ausflüge. Wir haben den Karni-Mata-Tempel, den Ratten-Tempel, besucht (eine Erfahrung, ganz bestimmt…) und eine Jeep-Safari unternommen. Bikaner liegt am Rand der Wüste Thar. Die Landschaft hat hier nicht so spektakuläre Sanddünen wie beispielsweise bei Jaisalmer, dafür umgeht man Touristenscharen und ihre Kargheit hat definitiv einen Reiz.

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Jeep-Safari mit dem Zoologen Jitu Solanki in die Wüste Thar.

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Kamele werden in Indien gezüchtet und kommen nicht wild vor. Das Bikaner-Camel ist bekannt für seine Kraft, im ersten und zweiten Weltkrieg unterstützte der Bikaner Camel Corps (gegründet von Maharaja Ganga Singh) die Alliierten.

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Chai mit Kamelmilch schmeckt gewöhnungsdürftig, die Milch soll allerdings sehr gesund sein und wird als Wundermittel gegen Krebs und andere Krankheiten angepriesen.

Wir waren mit Jitu Solanki unterwegs. Der studierte Zoologe und Betreiber des Vinayak Guest House stellte nach unseren Wünschen einen Ausflug zusammen, mit ihm wir erkundeten für ein paar Stunden die Wüste und profitieren von seinem fundierten Wissen über Tiere, Pflanzen und Ökosystem. Wir sahen viele Vögel (Jitu organisiert auch Touren für Birdspotter, die ihn nach der Anzahl gesehener Vogelarten bezahlen, kein Witz!), Nilgauantilopen und begegneten einer Camel-Herde. Die Hirten bereiteten uns im Handumdrehen – ein paar trockene Hölzchen zu einem Feuer geschichtet, einen von Russ geschwärzten Topf reingestellt – einen sauheissen Chai mit Kamelmilch zu. Als wir am Abend (natürlich in der Bar) Harsh davon erzählten, verzog er grinsend das Gesicht. Wir waren also nicht die einzigen, die etwas Mühe mit der salzig schmeckenden und sehr nahrhaften Kamelmilch hatten…. Doch wie sagte Harsh jeweils so schön, wenn wir seine Empfehlung zu diesen und jenen Sachen wollten: „Why not? Give it a try!“ Der indische Singsang seiner Stimme habe ich dabei immer noch in den Ohren und seine Worte sind bei uns zu einer geläufigen sprachlichen Wendung geworden. „Why not? Give it a try!“ Passt ganz generell zum Leben.

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