Ich liebe Currys aus Indien. Eine Platte mit Mezze ist das Wunderbarste, was es gibt und Gott sei Dank haben die Japaner Sushi erfunden. Doch wenn ich mich auf eine Länderküche beschränken müsste, dann wäre es ganz klar die Italienische. Pasta kann ich einfach immer essen! Rezepte für Teigwaren und anderen Comfort food liefert das neue Kochbuch „Italien vegetarisch“, erschienen beim Brandstätter Verlag. Es überzeugt mit einfachen, vielfältigen Rezepten und einer schlichten, hochwertigen Aufmachung. Ein Buch, das sich auch gut als Geschenk eignet! Der Autor Claudio Del Principe lebt mit seiner Familie in Binningen bei Basel, er schreibt den Blog Anonyme Köche und verrät im folgenden Interview, wie man ein mehrgängiges, vegetarisches Festtagsmenü zusammenstellen kann.
Albertines: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man in Italien kein grosses Verständnis für Vegetarier hat.
Claudio Del Principe: Das habe ich auch schon festgestellt. Es ist sich einfach niemand bewusst, dass viele italienische Gerichte fleischlos sind und man damit Vegetarier glücklich machen könnte.
Gerade in Restaurants finde ich es schwierig, auf der Karte etwas ohne Fleisch zu finden.
In Italien isst man sehr streng nach Protokoll und zwar in einzelnen Gängen. Jede Pasta, jeder Risotto, jedes Gemüse wird in Italien alleine serviert. Auch das Fleisch kommt so – man erhält aber dazu drei Tellerchen mit Beilagen. Als Vegetarier muss man sich die Gerichte auf der Karte zusammensuchen oder nachfragen, was in der Küche an frischem Gemüse gerade da ist.
Dein Blog „Anonyme Köche“ habe ich bisher immer recht fleischlastig wahrgenommen. Das vegetarische Kochbuch ist für mich eine Überraschung.
Dieser Eindruck kann zeitweise durch die chronologischen Einträge entstehen, obwohl ich viel mit Gemüse koche. Ich habe mich selbst während vier Jahren vegetarisch ernährt – wenn man sich bewusst mit Essen beschäftigt, findet man heraus, dass in Fleisch- und Wurstwaren Zutaten stecken, die man eigentlich gar nicht zu sich nehmen möchte. Heute esse ich wenig Fleisch, aber von guter Qualität. Auf meinem Blog habe ich mehrmals über meine Beobachtung geschrieben, wie angestrengt sich Vegetarier teilweise ernähren. Was sie essen und wie sie essen, scheint ihnen schwer zu fallen. Viele greifen auf exotische Zutaten, Gewürze und Rezepte zurück. Und vor allem auf Ersatzprodukte. Ich finde es aber blöd Tofu- oder Seitanwürstchen auf den Grill zu legen, wenn es doch so tolles Gemüse gibt. Die Anfrage von Katharina Seiser, der Herausgeberin des Buchs, und dem Brandstätter Verlag war für mich wie ein Freipass, endlich all die beliebten italienischen Rezepte in einem Kochbuch zu vereinen, die immer schon vegetarisch waren.
Wie hast du die Rezepte ausgewählt?
Die Hälfte der Rezepte kommt von meiner Mutter. Von meiner Familie, die aus den Abruzzen stammt. Für den anderen Teil studierte ich Bücher mit traditionellen regionalen Rezepten, wie das der Akademie der italienischen Küche oder Rezeptsammlungen von Slow Food.
Musstest du die Rezepte anpassen?
Nein, ganz im Gegensatz. Viele konnte ich einfach so lassen, weil sie seit Jahrhunderten bewährt und gut sind. Es ist auch faszinierend, wie wenig Zutaten die Gerichte brauchen. Zum Beispiel bei den Suppen aus Hülsenfrüchten, die ich so mag. Wenn ich Linsensuppe serviere, kommen immer die gleichen Kommentare. Alle meinen, es hätte Bouillon drin. Braucht es aber nicht. Knoblauch, Peperoncino, ein Lorbeerblatt und etwas Sellerie im Olivenöl angedämpft, passierte Tomaten, braune Linsen und Wasser reichen schon für einen tiefen, vollen und runden Geschmack.
Hülsenfrüchte sind ideal für Vegetarier – und auch typisch für die italienische Küche, oder?
Ja, sehr. Es gibt eine enorme Sortenvielfalt bei Bohnen, Kichererbsen und Linsen, die für Abwechslung sorgen. Dankbar an der italienischen Küche finde ich auch, dass man die drei sättigende Komponenten Pasta, Reis und Polenta hat.
Im Kochbuch gefällt mir die fünfte Jahreszeit sehr. Das Kapitel für Gericht, die jederzeit gehen.
Das ist so eine geniale Erfindung! (lacht) Das war Katharinas Idee. Dieses Kapitel gibt es auch in den beiden anderen Bänden „Österreich vegetarisch“ und „Deutschland vegetarisch“.
Du hast nicht nur die Rezepte zusammengestellt, sondern auch das Styling gemacht und fotografiert.
Ich habe das so dem Verlag offeriert, weil ich es gewohnt bin, für meinen Foodblog so zu arbeiten – kochen, stylen, fotografieren, essen! Ich bin zwar weder ausgebildeter Koch, noch Foodstylist, noch Fotograf, aber die langjährige Erfahrung als Foodblogger vereint alles zu einem authentischen Ganzen. Für das Buch habe ich gut 100 Rezepte fotografiert. Das hat mich ein halbes Jahr Arbeit gekostet und es war schon eine Riesenkiste! (lacht)
Du hast alles bei dir zu Hause produziert?
Ja. Ich habe pro Tag zwei bis drei Gerichte fotografiert. Immer nur am Mittag, weil ich bei natürlichem Licht arbeiten wollte. Und innerhalb unserer Familie. Ich habe zwei Buben, 11 und 15 Jahre alt, die am Mittag nach Hause kommen und essen wollen – was teils zu turbulenten Szenen führte. Meine Frau nahm den Topf vom Herd und wollte servieren, während ich einen Anfall kriegte und laut schrie: „Stop! Das muss ich noch fotografieren! Esst etwas anderes!“
Deine Familie ist nun wohl etwas traumatisiert…
Jaaaa. Sie haben stark mitgeholfen, moralisch aber auch beim Einkaufen und bei den Vorbereitungen. Meine beiden Buben assistierten mit dem Aufheller und mussten mich auch mal bremsen. „Ich muss doch wieder in die Schule, ich kann jetzt nicht helfen“, riefen sie. Manchmal hatten sie das Essen auch satt, gerade die kohllastigen Rezepte (lacht). Ribollita oder die Polenta mit Wirsing und Bohnen – irgendwann wollten sie einfach nur mal wieder Wienerli mit Kartoffelsalat essen.
Und das Styling, wie hast du das gemacht?
Wir haben drei Reisen unternommen und besuchten in Italien Flohmärkte. Das war spannend und die Familie begleitete mich gern für ein Wochenende nach Mailand. Wir stellten eine Route zusammen und klapperten dann an einem Samstag zehn Orte ab. Irgendwelche Stadtviertel, wo du sonst nicht hinkommen würdest. Der Verlag wünschte ein Styling, das nicht zu modisch, zu trendig daherkommt. Das Buch sollte ein Standardwerk werden. Ich musste mich auch schlau machen über die verbreiteten italienischen Porzellanmarken. Saturnia ist zum Beispiel eine solche. Fündig wurde ich etwa bei „Di Mano in Mano“, eine Kette, die es in mehreren Städten gibt und die in gepflegtem Ambiente gebrauchte, alte Sachen verkauft.
Die Festtage nähern sich. Gerade als Vegetarier wird man oft gefragt, wie man ein mehrgängiges, fleischloses Menü zusammenstellen würde. Hättest du da einen Tipp?
Zum Aperitif eignen sich Focaccia oder Pizza, in kleine Vierecke geschnitten und ein paar Oliven dazu – die Pizza darf man übrigens auch kalt essen. Dann als Vorspeise einen Fenchelsalat mit Blondorangen oder ab Dezember, wenn die ersten Blutorangen kommen, auch gerne die Variante mit Stangensellerie. Als Hauptgang die Linsensuppe mit Quadrettini, den Gorgonzola-Risotto oder den Mangold mit Mozzarella – diese Kombination aus warmem Mangold und kühlem Mozzarella ist ein Entdeckung. Das ist ein Hammergericht! Und so einfach!
Kaufst du dafür einen speziellen Mozzarella?
Wenn man eine Burrata oder einen Büffelmozzarella bekommen kann, wird es ein besonderes Fest. Aber ich finde, man sollte sich beim Einkaufen nicht den Kopf zerbrechen. Manchmal darf es auch ein ganz banaler Galbani-Mozzarella sein.
Was gibt es beim Festessen zum Dessert?
In Italien kommt statt eines Desserts oft einfach eine Schale mit Früchten in Eiswasser auf den Tisch. Jetzt im Winter wird dies natürlich schwieriger. Ich würde Rotweinbirnen vorschlagen. Die sind nicht mastig und extrem elegant. Man kann sie auch mit einer Zabaione oder mit Zimteis kombinieren.