Jeder träumt vom Paradis. Der Palazzo Salis in Soglio kommt diesem Traum ziemlich nah. Der einzige negative Punkt: ein Wochenende ist für einen Besuch leider viel zu kurz.
Die Anreise ist eine Übung in Geduld und Achtsamkeit: Erst mal mit der Rhätischen Bahn nach St. Moritz gondeln, dann gemütlich weiter mit dem Postauto, durch Thomas Manns Sils, Haarnadelkurven über den Malojapass – und endlich ist man im Bergell angekommen. Aus dem Bündner Tal stammt die Familie Giacometti, Giovanni Segantini malte die imposante Bergwelt. Wir steigen in Vicosoprano aus, gerade pünktlich auf die Mittagszeit, und kehren im Hotel Corona ein. In der mit dunklem Holz getäferten Gaststube scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, wunderbar schmecken die hausgemachten Teigwaren, die mit Spinat und Ricotta gefüllten Tortellini an Salbei-Butter und Gnocchi mit Tomatensauce.
Der eigentliche Grund in Vicosoprano auszusteigen, ist aber unser Plan, Soglio über den Panoramaweg zu Fuss zu erreichen. Der gelbe Wegweiser führt einem mitten im Dörfchen den Hügel hoch, erst geht es recht steil hoch, dann gemütlich an der Talseite entlang durch Wälder und Wiesen, über Steinstufen und kleinen Brücken, an Wasserfällen und eingestürzten Häusern vorbei bis nach Soglio. In drei Stunden ist der Weg locker zu schaffen – so dass man im Palazzo Salis vor dem Abendessen gerade noch Zeit hat, um sich im wunderschönen, historischen Garten auf einen der Liegestühle zu lümmeln und die Berge in der Abendsonne zu bewundern.
Monika Müller und Christian Speck sind die zweite Saison Gastgeber im herrschaftlichen Palazzo. Früher führten sie in Basel das Deli Pfifferling, wo ich die beiden auch kennengelernt habe. Monika leitet die Küche, Christian ist für den Hotelbetrieb zuständig. Die 16 Zimmer im Haus sehen alle etwas anders aus, grösstenteils steht noch Originalmobiliar drin, so dass man sich abends richtig adlig bettet. Um nicht allzu museal zu werden, erblickt man in den Räumen auch ab und zu ein Möbelstück von Vitra, die Lounge im ersten Stock mit dem offenem Kamin und schwarzen Ledersofas ist sehr schön gelungen.
Abends wird den Hotel-Gästen ein Dreigang-Menu serviert, wahlweise mit oder ohne Fleisch. Monika kocht kreativ und mit saisonalen Zutaten aus der Region. Wenn sich nicht gerade ein Sommergewitter über Soglio ergiesst und Blitze in die engen Gassen einschlagen, setzt man sich für das Dessert wieder auf den Platz vor dem Palazzo. Für den Verdauungsspaziergang folgen wir Christians Tipp, laufen etwas raus aus dem Dörfchen, zu einem kleinen Waldstück. In der Nacht tanzen dort im Dickicht der Bäume Glühwürmchen, während hinter dem Piz Badile der Vollmond aufgeht. Paradiesisch, keine Frage.
Tipp: Bis zum 30. September 2017 findet im Bergell das Kunsprojekt Arte Albigna statt. Roman Signer, Pipilotti Rist, Judith Albert, Isabelle Krieg und andere Kunstschaffende haben in die hochalpinen Berglandschaft Installationen gebaut. Mit der kleinen ewz-Seilbahn in Pranzaira (Achtung: Mittagspause von 11.30 bis 13.15 Uhr) gelangt man hoch zum Stausee Lägh da l’Albigna. Die Kunstwerke befinden sich entlang des Wanderwegs bis zur SAC-Hütte und in der Hütte drinnen. Eine weiterer Rundweg führt nochmals 1,5 Stunden weiter hoch. Die Kombination zwischen Kunst und Bergwelt macht die Arte Albigna zu einem tollen Erlebnis. Auch wenn nicht jede Installation überzeugt, die Natur tut es.
Wichtige Anmerkung: Das Hotel Palazzo Salis wird ab 2020 von einem neuen Pächter geführt. Unser Bericht bezieht sich auf die Zeit unter Monika Müller und Christian Speck.