Interview, Kochen, Kunst&Essen, Kunst&Kultur, Vegan
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Einblicke in die buddhistische Küche. Ein Gespräch mit Jeong Kwan.

Die Netflix-Doku Chef’s Table hat sie berühmt gemacht. Unter all den Gourmet-Köchen ist Jeong Kwan sicher die Ungewöhnlichste. Ein Restaurant führt sie nicht, ihre Gäste sind die Zen-Mönche und Nonnen in einem Buddhistischen Kloster in Südkorea. Anfang Jahr war die sie auf Besuch in der Schweiz. 

Fotos: Véronique Hoegger

Es sind noch zwei Tage bis zum Tempelessen im Museum Rietberg in Zürich. Die Ankündigung, dass Zen-Nonne Jeong Kwan im Rahmen der Buddhismus-Ausstellung kocht, wurde mit Begeisterung aufgenommen. Das Essen war innert kürzeste Zeit ausverkauft. Ich habe einen Termin für ein Interview mit Kwan und darf bei den Vorbereitungen einen Blick in die Küche werfen. Am Essen teilnehmen werde ich aber nicht. Als ich zum Gespräch ins Museum komme, wirken die Veranstalter nervös. Es muss noch vieles organisiert werden. Jeong Kwan spricht nur Koreanisch, die ganze Kommunikation läuft über eine Übersetzerin, was viel Zeit beansprucht. Sie selbst – das kann einen nicht wundern – ist ruhig und sehr präsent. So, wie man sie in der Netflix-Folge kennenlernt. Anfangs wirkt ihre Autorität ziemlich einschüchtern, bis ich sie dann beobachte, wie sie mit ihrem Team ausgelassen am Selfie-machen ist…

Die Tempelküche ist vegan und wird als eine einfache Küche beschrieben. Wenn man Ihre Gerichte anschaut, dann wirken diese in meinen Augen sehr elaboriert. Können Sie mir erklären, was unter dieser Einfachheit verstanden wird?
Das Kochen an sich ist nicht sehr kompliziert, ich nehme Zutaten, die die Jahreszeit hergibt. Aber die Rituale dahinter sind komplex: Ein Tempelessen ist für die Mönche und Nonnen bestimmt. Für Menschen, die sich für den Buddhistischen Weg entschieden haben. Die Mahlzeiten geschehe in Ruhe und mit Dankbarkeit der Natur und den Menschen gegenüber, die die Lebensmittel vom Garten bis auf den Tisch bringen.

Ihre Küche soll nicht bloss satt machen, sondern auch den Geist der ruhig und gelassen halten. Wie erreicht man dies?
Ich muss das Wesen jeder einzelnen Zutat gut kennen. Zum Beispiel eine Aubergine: Wie ist sie gewachsen, wie ist sie beschaffen, was ist ihr Charakter? Nur wenn ich dies alles weiss, werden die Aubergine und ich bei der Zubereitung eins. Und nur so entsteht ein gutes Gericht. Im weiteren soll das Essen bloss mild gewürzt sein, nicht zu salzig, nicht zu scharf. Knoblauch, Zwiebel, Frühlingszwiebel, Lauch und Schalotten sind verboten. Sie riechen zu stark und erregen den Körper, was hinderlich bei der Meditation ist. Die Tempelküche soll dem Körper eine Leichtigkeit geben.
Was für Zutaten haben Sie aus Südkorea mitgebracht?
Da ich ein möglichst authentisches Tempelessen kochen möchte, habe ich ziemlich viele eingepackt: Zum würzen haben ich Sojasauce, Doenjang, das koreanische Pendant zur Miso-Paste, Reissirup, fermentiertes Gemüse und eingekochte Früchte dabei. Alles ist selbstgemacht und mindestens sechs Jahre alt.

Stimmte es, dass der Koch in der Hierarchie eines Zen-Kloster gleich nach dem Abt kommt?
Wenn man als Novize einem Kloster beitritt, ist die erste Aufgabe das Waschen und Zubereiten von Reis. Man lernt, wie man dies mit Ruhe und Hingabe macht. Dies ist sehr wichtig, da der Reis nicht nur für die Nonnen und Mönche ist, sondern auch Buddha dargeboten wird. Im nächsten Jahr lernt man den Gemüseanbau. So kommt man immer etwas weiter und geht Stufe für Stufe hoch.
Wie finden Sie Ruhe und Zeit zum Meditieren, wenn Sie auf Reisen sind?
Wenn ich am Abend alleine bin, meditiere ich und praktizieren Yoga. Die Lehre des Zen bedeutet aber auch, dass ich alles, was ich mache – ob ich aufstehe, gehe oder sitze – mit Hingabe tue. Und so ist auch das Kochen eine Meditation.

Das Team hinter Jeong Kwan. Während die Chefin einem TV-Sender ein Interview gab, steckten sie mir während dem Kochen immer wieder Dinge zum Probieren zu und erklärten die Gerichte.

Einige der Gerichte des Abends: Shitake in Gersten-Sirup geschmort, Kimchi, getrockneter eingelegter Rettich, Tofu mit Pfefferkörnern und Lotuswurzel.

Die Nachspeise: Nirwana Lotusblüten-Tee, frittierte Ginsengwurzel und Kartoffeln, Algen, Lotuswurzeln, kandierter Ingwer und koreanisches Gebäck.

Zwei Tage später bin ich wieder im Rietberg. Diesmal in der kleinen Küche, in der sonst die Speisen für das Museumscafé zubereitet werden. Es sind noch zwei Stunden, bis das Tempelessen beginnt. Jeong Kwan wird von einem achtköpfigen Team unterstützt, alles Köche aus Asien. Zwei davon frittieren gerade frische Lotuswurzeln, eine teure Spezialität, die optisch und vom Geschmack her etwas an Pastinaken erinnern. Sie werden beim Essen als Nachspeise zum Lotusblüten-Tee gereicht. Probieren darf ich auch von den Gurken mit Pflaumensirup, süss eingelegten Kakis, Sojasauce und Chilipaste sowie dem rohen Tofu, belegt mit Pfefferkörnern, die während drei Jahren in Sojasauce gezogen haben. Beide Gerichte beeindrucken mit einer geschmacklichen Komplexität wie man sie in der Westlichen Küche nicht kennt und der Balance von Süsse und Schärfe. Für die Essen im Tempel werden jeweils vier verschiedene Gerichte zubereitet, für die Demonstration im Museum hat Juang Kwang mehr gemacht. An jedem Platz liegen sieben Holzschalen (auch sie aus Südkorea mitgebrachte, angefertigt von einem Handwerker, der mit der geforderten Achtsamkeit ans Werk geht), die wie Babuschkas ineinander gelegt sind. Vor und nach dem Essen reinigt jeder die Schalen mit etwas Wasser und reibt sie mit einem Tuch aus. Die Speisen werden von Juang Kwangs Helfern herumgereicht und jeder bedient sich in Massen. Ein Tempelessen soll sättigen, überessen darf sich niemand. Die Mahlzeit wird schweigend eingenommen, mit Achtsamkeit.

 

 

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