Eine gezeichnete Reise nach Italien in zwölf Tagen.
Der Juni ist sicher nicht die beste Reisezeit für Italien. Es hat viele Leute, und heiss kann es auch werden. Unsere Skills im Umgehen von Menschenmassen waren gefragt, zum Beispiel in Florenz. Schön war es trotzdem, denn wir reden hier schliesslich von der Stadt mit der Piazza della Signoria, der Kathedrale Santa Maria del Fiore und den Uffizien mit den wichtigsten Werken aus der italienischen Renaissance mit Botticelli, Michelangelo, Caravaggio und so weiter. Natürlich sind das keine Geheimtipps. Aber der Reihe nach.
Eine Nacht in Sestri Levante
Mit dem Zug in ungefähr sechs Stunden über Mailand, Genua nach Sestri Levante, unserem ersten Halt in der Region Ligurien. Die kleine Altstadt liegt zwischen zwei Buchten. Die Namen der Strände auf beiden Seiten der Halbinsel – Baia del Silenzio und Baia delle Favole – sind klangvoll und schön dick aufgetragen. Denn still ist es hier nicht, aber charmant ganz sicher. Mich haben die schönen Pinien an der Uferpromenade verzaubert. Ich liebe die knorrig rötliche Rinde, die Grösse und Form dieser wärme liebenden Baumart, sie passt perfekt zu Ligurien, die Pinie. In Sestri Levante haben wir im Caffè Centrale an der Bar übrigens den besten Caffè Macchiato getrunken. Da hat im Geschmack einfach alles gestimmt, „Endlevel“ in Teenager-sprech. Ein ernsthafter, bleicher Barista hat ihn liebevoll zubereitet und in schmucken Keramiktassen serviert.
Übernachtungs-Tipp: La Casa dei Paggi: Ein freundliches älteres Paar und Indien-Liebhaber wie wir, vermietet zwei Zimmer in ihrem Haus mit Garten. Fünf Minuten vom Strand entfernt. Tel. 39 340 2943770
Wo man in Cinque Terre Ruhe findet
Nächster Halt nach einer kurzweiligen Stunde Zugfahrt entlang der Küste ist Monterosso al Mare, das erste Dorf der Cinque Terre. Schon im Zugabteil sind einige junge amerikanische Touristen anzutreffen. Am Bahnhof in Monterosso dann das ganze Durcheinander des Cinque-Terre-Hypes: Eine fast unerträgliche Masse an Menschen in der durch einen Felsen und begehbaren Tunnel zweigeteilten Altstadt. Auf einer Parkbank sehen wir drei ältere einheimische Fischer die sich das Treiben mit Gleichmut anschauen, ohne sichtliche Verwunderung oder Ärger. Denn das geht wahrscheinlich schon lange so. Der Strand ist ja auch schön, die Altstadt pittoresk und die Wanderwege zauberhaft mit ihrem Blick auf die Küste. Dort treffen wir auf einem steilen Weg hinauf zur Santuario Nostra Signora di Soviore auf ein fideles New Yorker Wander-Grüppchen und erinnern uns an eigene New York Momente (nachzulesen auf diesem Blog). Während unserem Aufenthalt findet das „Sagra dell’acciuga fritta“, das Fest der gebratenen Sardellen, statt. Riesige Töpfe mit in Öl frittierten Sardellen und Schlangen von Menschen. Und das führt uns direkt zu einer Empfehlung für die Übernachtung.
Übernachtungs-Tipp: Bei Leonardo und Constanza und ihrem Agriturismo Il Brucaolivo gibt es am Wochenende schon mal ein Fisch- und Gemüse-Grillfest mit Blick auf Monterosso und Feuerwerk (genau, Sardellen-Festival). Die Familie mit ihren zwei Kindern, Gänsen, Hühnern und Katzen serviert auch ein Frühstück der Extra-Klasse mit selbstgebackenem Brot, Konfi und alles. Und ruhig ist es hier in der Natur.
Immer wieder Florenz
Weiter mit dem Bummel-Zug, etwa drei Stunden nach Florenz, in die Region Toskana mit seinem Arno, Ponte Vecchio und alles. Und heiss ist es, fast vierzig Grad und die vielen Menschen, Madonna! Den Nachmittag verbringt man da am besten im Hotelzimmer oder mit einem Besuch der La Galleria dell’Accademia di Firenze. Im Zentrum der Ausstellung natürlich der biblische David mit der Steinschleuder um die Schulter gelegt, bereit für seinem Kampf gegen Goliath.
Gegen Abend im warmen Licht auf die Piazza della Signoria schlendern zum Neptunbrunnen und der Kopie der Skulptur von Michelangelo. Aber mich zieht es rasch weiter zu „Herkules und der Zentaur“, „Perseus mit dem Kopf der Medusa“ oder „der Raub der Sabinerinnen“ von Giambologna. Herkules ist für mich eine lebendige Kindheitserinnerung. An regnerischen Sonntagen Sandalen-Filme der 60er Jahre mit Titeln wie „Die unglaublichen Abenteuer des Herkules“ mit dem Bodybuilder und Schauspieler (in dieser Reihenfolge) Steve Reeves in der Hauptrolle schauen, das war grosses Kino für einen Zehnjährigen.
Übernachtungs -Tipp: Auch schon vorgestellt auf Albertines, aber immer wieder gerne bei dem sympathischen Gastgeber und Künstler Patrick Steiner und seinem Bed & Breakfast Le Tre Stanze.
Die Entdeckung: Studentenstadt Bologna
Letzter Halt Bologna in der Region Region Emilia-Romagna. Und wie wir uns verliebt haben in diese Universitäts-Stadt mit seinen jungen Menschen, dem feinen Essen (wir können den Mercato delle Erbe und die Bars rundherum empfehlen) und wunderbaren Bauwerken und Plätzen. Mitten auf dem Piazza Maggiore werden im Sommer während „Il Cinema Ritrovato“ die grossen Filmklassiker gezeigt. Weil es so schön ist, haben wir uns auf zwei aufeinanderfolgenden Abenden Plätze gesichert. Am ersten Abend lief „Written on the Wind“, ein „mit Spachtel gemaltes und überschwänglichen Gesten“ gespieltes US-amerikanisches Melodrama aus den 50er Jahren (Kritik filmzentrale.de). Und am zweiten Abend den dritten Teil der fantastische Dokumentation „The Beatles: Get Back“ um das legendäre „Rooftop Concert“ in der Savile Row in London. Was für eine Stimmung auf der Piazza.
Übernachtungs-Tipp: Die Villa Gotti hat alles was es braucht, um in die Welt von „Mad Men“ einzutauchen. Die denkmalgeschützte Villa aus dem italienischen Rationalismus wird geführt von einem umsichtigen und melancholischen Spanier. In einem längeren Gespräch vertraut er uns an, dass er den Sommer nicht mag, und die Hitze auch nicht.