Die Erwartungen für Mexico City waren hoch und wurden noch übertroffen. Dank unserer Gastgeberin Micaela, die – das erfuhren wir erst nach unserer Ankunft – die Tochter einer bekannten mexikanischen Köchin ist und selbst zwei Restaurants führt.
«Ihr könnt am Morgen in meinem Café um die Ecke frühstücken», sagte Micaela nachdem sie uns in ihrer Wohnung empfangen hatte. «Ich lege euch die Adresse auf den Küchentisch.» Wir freuten uns – stolperten aber erst mal ziemlich erledigt ins Bett. Die Anreise über Cancun nach Mexico City war lang gewesen. Nervige Beamte am Flughafen liessen uns zweifeln, ob wir im Land überhaupt willkommen wären – oder einfach als dumme Gringos betrachtet wurden.
Umso schöner war das Aufwachen in Micaelas geschmackvoll eingerichteter Wohnung, der erste kurze Spaziergang durch das Quartier Roma Norte und das Frühstück im Abarrotes, ihrem Café. Wir fühlten uns schon fast wie zu Hause und waren baff. Ziemlich hip und cool alles! Das Abarrotes (in Mexico die Bezeichnung für einen Lebensmittelladen) könnte ebenso auch in New York stehen: weisse Kacheln an den Wänden, schwarze Stühle kombiniert mit Holztischen, graphisch durchgestylt. Hinter der Theke läuft die Kaffeemaschine, es gibt Sandwiches, Salate, Granola, dazu eine riesige Auswahl an Backwaren – die Männer mit Bärten und tätowierten Oberarmen hinter der grossen Glasfront herstellen. Gleichzeitig entdeckte ich auch auf den selbst gemachten Konfitüren, Saucen und Chutneys den Namen Monica Patiño.
Zwei Tage später erzählte uns Micaela die Geschichte hinter dem Abarrotes. Und damit auch ein Teil ihrer (kulinarischen) Familiengeschichte. Diese beginnt mit einem kleinen Farm-To-Table-Restaurant namens La Taberna del Leon. Monica Patiño, Micaelas Mutter, eröffnete dieses 1978 in Valle de Bravo, rund 140 Kilometer entfernt von Mexico City. Sie hatte in Paris Kurse besucht und kombinierte französische Kochkunst mit mexikanischen Zutaten. Das Restaurant war ein grosser Erfolg, am Wochenende pilgerten die Leute aus der Hauptstadt dorthin. Es folgten weitere, wechselnde Restaurants (heute führt sie in Mexico City die Casa Virginia) und Auftritte als TV-Köchin. «Als meine Mutter begann, servierte man in gehobenen Restaurants keine mexikanische Küche. Sie gehörte zu den Trendsettern, die zum Beispiel den Mezcal zum Fine Dining brachte – früher war dieser verpönt als Bauernschnaps», sagte Micaela.
Vor über zehn Jahren wagte Monica Patiño dann nochmals etwas Neues. An einer Strassenecke in Roma Norte eröffnete sie den Deli Delirio. «Damals war der Stadtteil gefährlich, es gab viele verlassene, heruntergekommene Gebäude, die noch vom schlimmen Erdbeben von 1985 herrührten», erzählte Monica. Das Deli musste bald wieder schliessen. Fast vier Jahre lang passierte nichts, bis Monica – sie war damals 23 und studierte Wirtschaft in London – einen Anruf von ihrer Mutter bekam: «Entweder verkaufe ich den Laden, oder du kommst zurück und übernimmst!», befand diese.
2010 war die Wiedereröffnung des Delirio und der Erfolg stellte sich rasch ein. Als sie drei Jahre später nach einer grösseren Küche suchten, fanden sie die Räumlichkeiten des heutigen Abarrotes. Zum Erfolg beigetragen hat auch der Wandel in Roma Norte. Das Quartier gehört heute zu einer der beliebtesten Gegenden in Mexico City. Man kann auch in der Nacht sorgenlos zu Fuss umherlaufen, es hat jede Menge Bars und Restaurants, hippe Boutiquen, Parks – und mit ein bisschen Glück nächtigt man in Michaelas Wohnung.
Weitere Tipps für Roma Norte:
MOG Bistro Asiatisches Restaurant mit japanischer, chinesischer und thailändischer Küche. Immer sehr voll, aber zu zweit findet man schnell einen Platz. Quirliges Ambiente.
Forever Vegano Der Name sagts, ein veganes Restaurant. sehr leckere Getränke und das Essen ist auch muy bien!
Trafico Bazar Markt mit jungen, mexikanischem Design. Nur ein paar Häuser weiter als das Abarrotes. Einmal im Monat am Wochenende.
Und sonst einfach: schlendern, verlaufen, entdecken!
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