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Villen, Ruhe und Reisfelder in Chettinad

Reisen bedeutet zurzeit Erinnern. Wir nehmen euch mit nach Chettinad, eine weitgehend unentdeckte Gegend in Tamil Nadu. Auf dem Rad geht es über ruhige Landstrassen, vorbei an Reisfeldern und zu den alten Villen der Chettiars – wie das Boutique-Hotel Saratha Vilas. 

Die nachmittägliche Radtour beginnt mit einem Chai. Der freundliche Chaiwala von Gegenüber kennt uns bereits. Statt einer Hose trägt er einen Dhoti. Sein grauer Schnauz ist akkurat zurechtgestutzt, über dem nackten Oberkörper hat er sich wie Kellner ein kariertes Geschirrtuch gehängt. Lässig hantiert er mit seinen Metallbechern. Der Tee wandert wie bei einem Zaubertrick durch die Luft – von einer Tasse zur nächste und landet schliesslich in zwei kleinen Bechern, die man nur mit den Fingerspitzen anfasst, weil der Inhalt so heiss ist. Koffein und Zucker vertreiben die Nachmittagsmüdigkeit, wir schwingen uns auf die beiden schwarzen indischen Herrenräder. Die Hitze des Tages drückt immer noch schwer.

Auf den Landstrassen begegnet man Kindern, die in Schuluniform nach Hause radeln. Frauen überqueren mit Ziegen die Strasse. In den Reisfeldern spiegelt sich die immer tiefer stehende Sonne, eine Affenfamilie hangelt von einem Baum zum nächsten. In Chettinad, im Süden von Tamil Nadu, entdeckt man ein idyllisches Indien, das nach dem Rummel von Mumbai unreal erscheint. Noch unglaublicher sind die kulturellen, historischen und architektonischen Schätze, die es in dieser ländlichen Region zu entdecken gibt.

Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in 73 Dörfern von Chettinad palastähnliche Häuser. Gebaut wurden sie von den Chettiars-Familien, die als Kaufleute, Händler oder Banker in Ceylon, Burma oder Siam viel Geld verdienten und damit in ihrer Heimatregion protzige Villen bauten. Heute stehen viele dieser Häuser leer, an ihren Türen hängen schwere Schlösser. Der Monsum schwemmt jedes Jahr etwa mehr von der Pracht weg. Geld – und manchmal auch das Interesse für Renovationen – fehlen.

Ganz anders ist die Situation in der Saratha Vilas in Kothamangalam: Die beiden französischen Architekten Michel Adment und Bernard Dragon renovierten das Haus 2010 und verwandelten es in ein Boutique-Hotel. Wie fast alle Villen der Chettiars besteht das Gebäude aus mehreren Hallen und offenen Höfen, die nacheinander angeordnet sind. Gebaut wurde sie nach dem hinduistischen Architekturprinzip des Vastu Shastra, das viel mit Symmetrien und geometrischen Mustern arbeitet. Für die Ausstattung der Räume bestellten die Erbauer Luxus aus aller Welt: Teakholz aus Burma, Japanische und Englische Fliesen, Marmor aus Italien und Belgien.

Der zentralen Hof mit seinem Schachbrettmuster-Boden wird schnell zu unserem Lieblingsplatz. Auf den Sofas und Sesseln im Kolonialstil lässt es sich gediegen lesen, oder einfach die Stimmung auf sich wirken. Durch eine der alten Holztüren gelangen wir in unser Zimmer.

Die meiste Zeit haben wir das Gefühl, die Villa gehört uns allein. Viele Touristen – noch immer trifft man in Tamil Nadu überwiegend Franzosen an – steigen hier während ihrer Rundreise meist bloss für eine Nacht ab. Sie checken abends nach Sonnenuntergang ein, essen morgens, nach einem wehmütigen Blick auf den lauschigen Pool im Garten, kurz ihr Frühstück und steigen dann wieder zu ihrem Driver ins Auto. Mais non!, muss man da laut seufzen. So ein Haus erfordert Musse. Dazu bieten Michel und Bernard so viele Tipps zu Tempeln, kleinen Ayyanar Schreinen aus bunten Ton-Pferden, die die Dörfer beschützen, Villen und besonderen Landschaften in der Umgebung, dass man sich locker eine Woche beschäftigen kann.

Anreise: Die Chettinad-Region liegt nahe von Madurai, im Süden von Tamil Nadu. Wir sind von einem Fahrer der Saratha Vilas in Madurai abgeholt worden und reisten danach weiter nach Trichy.

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